Mark Twain in Heidelberg – A Tramp Abroad / The Awful German Language

Die deutsche Sprache ist ein Dutzend Fragmente von Wörtern, die in einen achteckigen Zylinder geworfen werden – schauen Sie diese genau an, bevor Sie mit dem Drehen der Maschine beginnen, denn Sie werden sie nie wieder in ihrer Einfachheit sehen – nie wieder.

Mark Twain, Notebooks & Journals, Band 2, S. 253

Der weltberühmte Schriftsteller Mark Twain (Samuel Langhorne Clemens), hat mit Huckleberry Finn und Tom Sawyer zwei unsterbliche literarische Figuren geschaffen. Er war aber in seinem umfangreichen Gesamtwerk stets ein stilistisch brillanter, gewitzter und kluger Autor. Und er war auch ein Reisender, der nicht zuletzt in Deutschland unterwegs war – mit einer besonders engen Verbindung zu Heidelberg und seiner Umgebung.

In seinem Buch „A Tramp Abroad“ (1880, deutscher Titel „Ein Bummel durch Europa“) beschreibt er in satirischer Form die Reise zweier Amerikaner – einer davon Mr. Twain himself – durch Deutschland, die Alpen und Italien.

Schon im ersten Kapitel schreibt Mark Twain „I desired to learn the German language; so did Harris.“. Von Hamburg über Frankfurt landete Twain bald in Heidelberg und er war bezaubert von der Stadt und ihrer Lage am Neckar: „The Castle looks down upon the compact brown-roofed town; and from the town two picturesque old bridges span the river. Now the view broadens; through the gateway of the sentinel headlands you gaze out over the wide Rhine plain, which stretches away, softly and richly tinted, grows gradually and dreamily in distinct, and finally melts imperceptibly into the remote horizon. I have never enjoyed a view which had such a serene and satisfying charm about it as this one gives.“

In einem Brief an den amerikanischen Botschafter Taylor schreibt Twain am 7. Mai 1878 aus seinem Hotelzimmer oberhalb des Heidelberger Schlosses:

„Lieber Herr Taylor:

Wir werden hier blieben viellicht für drei Monate, zum Schloss-Hotel. —Dies hotel steht about fünf und siebenzig Fuss Höher als das Schloss und commandirt ein Aussicht welcher Ohne Ahnlichkeit in der Welt hat. (Sie mussen excuse auskratchens, interlineations, u.s.w.).


Ich habe heute gecalled on der Herr Profesor Ihne, qui est die Professor von Englishen Zunge im University, to get him to recommend ein Deutschen Lehrer für mich, welcher he did. Er sprach um mehrerer Americanischer authors, und meist güngstiger & vernügungsvoll von Ihrer; dass er knew you and Ihrer Lebe so wohl, durch Ihrer geschreibungen; und wann Ich habe gesagt Ich sollen Ihr schreiben heute Nacht gewesen if nohing happened, er bitte mich Opfer sein compliments, und hoffe Ihnen will besuchen wenn du Kommst an Heidelberg.

Er war ein vortrefflicher and liebwürdiger & every way delightful alte gentleman.“

Während seiner Zeit in Heidelberg beobachtet Twain mit Interesse das Leben in der Stadt, die Eskapaden der Studenten inklusive ihrer Duelle, schaute mit scharfem Blick und voller Humor auf Land und Leute. Und er unternimmt Ausflüge, nach Mannheim in die Oper und ins Theater („…went down to Mannheim to see King Lear played in German. It was a mistake.“) und ins schöne Neckartal.

Neckarsteinach, die Vierburgenstadt am Zufluss der Steinach in den Neckar ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in der Nähe Heidelbergs. Natürlich machte sich Mark Twain dorthin auf den Weg und trank in einer Gaststätte am Neckar ein kühles Bier. Die Neckarsteinacher haben es ihm recht kühl gedankt, mit einer Metalltafel am Neckarlauer, auf dem sein Vorname mit „Marc“ falsch geschrieben ist.

Auch wer heutzutage nach Neckarsteinach reist – am angenehmsten Tage mit dem Schiff von Heidelberg – der wechselt nach dem Besuch der berühmten vier Burgen Neckarsteinachs gern noch die Neckarseite, und „ersteigt“ den Dilsberg, wie es Mark Twain einst getan hat.

Die Lage und Optik der Stadt Dilsberg hatten Twain schon aus der Ferne beeindruckt „The general level of the massed roofs is gracefully broken and relieved by the dominating towers of the ruined castle and the tall spires of a couple of churches so, from a distance Dilsberg more the look of a king’s crown than a cap“. Die kompakte Anlage der Stadt, bei der kein Haus außerhalb der Stadtmauer zu sehen sei, und die Stadtmauer ein Teil der Wände der Randhäuser, veranlassten ihn zur Bemerkung, dass Dilsberg eine vollendete Stadt sei: „It is really a finished town, and has been finished a very long time.“

Wobei der Begriff „vollendet“ schon ein Beispiel für die Doppeldeutigkeit von Begriffen sein könnte, die Twain unter anderem zu seiner Beschäftigung mit der Deutschen Sprache inspirierte. Deutsch beschäftigte Twain so sehr, dass er als Anhang von „A Tramp Abroad“ das Essay „The Awful German Language“ („Die schreckliche deutsche Sprache“) verfasste.

Seine Einschätzung sei vorweg genommen: „My philological studies have satisfied me that a gifted person ought to learn  English  (…) in 30 hours, French in 30 days, and German in 30 years. It seems manifest, then, that the latter tongue ought to be trimmed down and repaired. If it  is  to  remain  as  it is, it ought to  be gently and reverently set aside among the dead languages, for only the dead have time to learn it.“

In „The Awful German Language“ lässt sich Mark Twain unter anderem über die überaus langen, zusammengesetzten Wörter aus, dem für Englischsprachige Menschen undurchschaubarem grammatischen Geschlecht und den vielen Regeln und Ausnahmen der deutschen Sprache. Anhand der Beispiele „Schlag“ und „Zug“ stellt er dar, wie viele verwirrende Züge (…) die Deutsche Sprache haben kann. Die folgenden Deutschen Übersetzungen stammen von mir selbst, und sind entsprechend auch schon wieder mit Vorsicht zu genießen.

Mark Twain machte sich wirklich Mühe Deutsch zu lernen:

„I went often to look at the collection of curiosities in Heidelberg Castle, and one day I surprised the keeper of it with my German. I spoke entirely in that language. He was greatly interested; and after I had talked a while he said my German was very rare, possibly a “unique;” and wanted to add it to his museum. If he had known what it had cost me to acquire my art, he would also have known that it would break any collector to buy it.“

(Ich habe mir oft die Sammlung der Kuriositäten im Heidelberger Schloss angesehen, und eines Tages überraschte ich die Aufsicht mit meinen Deutschkenntnissen. Ich sprach vollständig in dieser Sprache. Er war sehr interessiert; und nachdem ich eine Weile gesprochen hatte, sagte er, dass mein Deutsch sehr selten sei, wahrscheinlich ein „Unikat“; und er wollte es in sein Museum aufnehmen. Wenn er gewusst hätte, was es mich gekostet hatte, meine Kunst zu erwerben, wäre ihm bewusst gewesen, dass ein Kauf jeden Sammler ruinierte.)

Das grammatische Geschlecht ist allerdings wirklich eine seltsame Geschichte:

„In the German it is true that by some oversight of the inventor of the language, a Woman is a female; but a Wife (Weib) is not —which is unfortunate. A Wife, here, has no sex; she is neuter; so, according to the grammar, a fish is he, his scales are she, but a fishwife is neither. To describe a wife as sexless may be called under-description; that is bad enough, but over-description is surely worse. A German speaks of an Englishman as the Engländer; to change the sex, he adds inn, and that stands for Englishwoman — Engländerinn. That seems descriptive enough, but still it is not exact enough for a German; so he precedes the word with that article which indicates that the creature to follow is feminine, and writes it down thus: „die Engländerinn,“ — which means „the she-English- woman.“ I consider that that person is over-described.“

Im Deutschen ist es richtig, dass durch eine gewisse Vorausschau des Erfinders der Sprache eine Frau eine Frau ist; aber das (Ehe) Weib ist es nicht – was bedauerlich ist. Eine Frau hat hier kein Geschlecht; sie ist ein Neutrum. Nach der Grammatik ist ein Fisch „der Fisch“, seine Schuppen sind „die Schuppen“, aber das Weib eines Fischers ist keins von beidem. Eine Frau als geschlechtslos zu beschreiben, kann als „unterbeschrieben“ bezeichnet werden; das ist schlimm genug, aber eine Überbeschreibung ist sicherlich noch schlimmer.  Ein Deutscher spricht von einem Engländer als Engländer; um das weibliche Geschlecht zu benennen, fügt er ein „inn“ hinzu, und das steht für „Englishwoman“ – Engländerinn. Das scheint beschreibend genug zu sein, aber es ist immer noch nicht genau genug für einen Deutschen. So stellt er dem Wort einen Artikel voraus, der darauf hinweist, dass das folgende Wesen weiblich ist, und schreibt es so auf: „die Engländerinn“, was „die weibliche Engländerin“ bedeutet. Ich denke, dass diese Person überbeschrieben ist.“

Besonders Augenmerk richtete auf typisch deutsche Wortungetüme, die aus einzelnen Begriffen zusammengesetzt werden. „In the hospital, yesterday, a word of thirteen syllables was successfully removed from a patient,a North-German from near Hamburg; but as most unfortunately the surgeons had opended him in the wrong place, under the impression that he contained a panorama, he died. The sad event has cast a gloom over the whole community.“

…und er stellt fest:

„Some German words are so long that they have a perspective. Observe these examples:

Freundschaftsbezeigungen.
Dilletantenaufdringlichkeiten.
Stadtverordnetenversammlungen.

These things are not words, they are alphabetical processions. And they are not rare; one can open a German newspaper any time and see them marching majestically across the page, and if he has any imagination he can see the banners and hear the music; too. They impart a martial thrill to the meekest subject.“

Mark Twain pflegte sein ganzes Leben Kontakt zur Deutschen Sprache. Begonnen in Nordamerika, wo sich der Kontakt mit deutschen Einwanderern kaum vermeiden ließ, bis ins engere Familienleben. Die Familie Twain hatte traditionell deutsche Kindermädchen und in der ganzen Familie lernte man Deutsch. Twain stellte bald fest, dass seine Töchter besser Deutsch beherrschten als er selbst.

Twains literarisch überspitzte und mit Spott gewürzte Sicht auf die Deutsche Sprache milderte er ab (…I now come to the brief and pleasant task of  pointing out its virtues…“), und so fand er auch wohlwollende Worte:

„There are some German words which are singularly and powerfully effective. For instance, those which describe lowly, peaceful and affectionate home life; those which deal with love, in any and all forms, from mere kindly feeling and honest good will toward the passing stranger, clear up to courtship; those which deal with outdoor Nature, in its softest and loveliest aspects, -with meadows, and forests, and birds and flowers, the fragrance and sunshine of summer, and the moonlight of peaceful winter nights; in a word, those which deal with any and all forms of rest, repose, and peace; those also which deal with the creatures and marvels of fairyland; and lastly and chiefly, in those words which express pathos, is the language surprisingly rich and effective. There are German songs which can make a stranger to the language cry.“

Auf den Grabstein seiner Frau Olivia ließ er folgenden Text gravieren:

„Gott sei Dir gnädig, O meine Wonne“

Links zu Mark Twain – A Tramp Abroad

A Tramp Abroad als kostenloses Hörbuch, gelesen von John Greenwood bei LibriVox
(dort übrigens noch viele weitere Bücher von Mark Twain als kostenlose Audiobooks)

A Tramp Abroad in verschiedenen digitalen Formaten bei Archive.org

Mark Twain Broschüre der US Botschaft, 2010 (PDF)

Natürlich gibt es das Buch aus als Buch! Wenden Sie sich an die Buchändlerin oder den Buchhändler ihres Vertrauens und nicht an Amazon.

Die Illustrationen stammen von Mark Twain selbst, die besseren allerdings von Walter Francis Brown und True W. Williams.

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